Einige Aussage zum deutschen Philosophen Hans-Georg Gadamer. Interview mit Giuseppe Blasotta von Tudor Petcu
1.) Zunächst bitte ich
Sie, mir zu schildern, wann und wie Sie den deutschen Philosophen Hans-Georg
Gadamer kennengelernt haben und welche Bedeutung jene Begegnung für Sie hatte.
Welchen Einfluss hatte dieses Treffen auf Ihre künstlerische und philosophische
Persönlichkeit?
Zunächst einmal bedanke ich mich
herzlichst bei Ihnen, lieber Dr. Petcu, für das vorliegende Interview, das ich
sehr gerne beantwortet habe, da dies mich dazu gebracht hat, Erinnerungen an mehr
als zwei Jahrzehnte zurückliegende Ereignisse meiner Zeit in Deutschland wachzurufen,
die - auch wenn ich mich hier nur auf meine Begegnungen mit Hans-Georg Gadamer beschränkt
habe - autobiografischen Charakter haben und tendenziell wie alle Erinnerungen,
sowohl im Laufe der Zeit zu verblassen drohen, als auch zum Teil unter einem
neuen Licht erscheinen.
Als ich Gadamer 1999 als
Philosophiestudent und Kunstmaler in Heidelberg persönlich kennenlernte, war es
nicht die erste Begegnung mit dem deutschen Philosophen, weder die erste
Begegnung mit seinem Denken, noch mit dem Menschen selbst. Tatsächlich war mir im
Philosophieunterricht am Gymnasium - als ich mich der Volljährigkeit näherte -
das Denken und auch ein Porträt des Philosophen aus dem Sammelband über die
Geschichte der Philosophie bereits bekannt; Gadamer war in der Tat in dem
berühmten Werk von Giovanni Reale und Dario Antiseri ein ganzes Kapitel gewidmet
(das zweiundzwanzigste von S. 477 bis S. 485 von Bd. 2: Die Moderne – Anm.
Foto. Nr. 1 und 2) das mit fotografischer Reproduktion in Schwarzweiß ergänzt
war, das, wie mir scheint, von großer Wirkung ist, da es genau den aufmerksamen
Blick des Philosophen zeigt, vor dem ich sieben Jahre später in Heidelberg
stand und den ich respektvoll zu entziffern versuchte, wohl aus Furcht, nicht
jedes Wort des betagten Denkers zu verstehen und seine weisen Fragen nicht mit
der gebührenden Genauigkeit zu beantworten.
Doch gehen wir um sieben Jahre zurück, als
ich die Universität von Turin (Palazzo Nuovo) besuchte. Damals konnte ich einer
Gastvorlesung des deutschen Philosophen beiwohnen, die von Gianteresio (Gianni)
Vattimo, einem italienischen Philosophen und damals ordentlichen Professor an
der Turiner Universität, ausgerichtet wurde. Ich erinnere mich noch gut daran,
dass mich die würdevolle Wissbegier, das begeisterte Interesse für die
Philosophie, das von seiner Person ausging, sehr beeindruckte und ich nicht nur
durch sein ausgezeichnetes Italienisch, das er mit einer klaren Aussprache beherrschte,
in seinen Bann gezogen wurde, sondern auch von seinem Blick, der auf einen
unbestimmten Punkt im Vorlesungssaal gerichtet war, als würde er die
Platonischen Ideen erschauen, gleichsam indem er sie in seinen Blick nahm und
für uns Studenten jene Ideen in die Sprache übersetzte und uns so durch das
Wort, das seine anschaulichen Beschreibungen prägte, zugänglich machte.
Leider kam ich nie dazu, Gadamer diese ihn
betreffenden Eindrücke aus meiner Jugend zu schildern, vielleicht um unpassende
Bemerkungen zu vermeiden – nicht zuletzt aus Unsicherheit mit meinem damals noch
sehr rudimentären Deutsch und vor allem angesichts des außergewöhnlichen
Kontexts, mit einem direkten Zeugen der Geschichte der Philosophie des 20.
Jahrhunderts, mit einer zentralen Figur in der Entwicklung derselben im Übergang
vom 20. zum 21. Jahrhundert sprechen zu können. Tatsächlich hatte ich Jahre
nach Gadamers Vortrag im Palazzo Nuovo, beinahe unverhofft und dank der
Vermittlung von Frau Prof. Donatella Di Cesare die Ehre und große Freude, den
nunmehr fast hundertjährigen Philosophen in Heidelberg persönlich
kennenzulernen. Als Frau Prof. Di Cesare erfuhr, dass ich als Student am
Philosophischen Seminar der Stadt eingeschrieben war und mich für die Malerei
begeisterte, sagte sie zu mir: „Komm, ich bringe Dich zu Gadamer!“. Es war
August 1999, und Gadamer, der am 11. Februar 1900 geboren war, hatte bereits sein
99. Lebensjahr vollendet.
In jenem Frühjahr '99 wurden die
Schaufenster eines Bekleidungsgeschäfts in der Heidelberger Innenstadt mit
einer Serie meiner Bilder (Stillleben und Landschaften) dekoriert, als ich
wenige Tage nach meiner Begegnung mit Frau Prof. Di Cesare von ihr selbst die
freudige Nachricht erhielt, dass Gadamer am frühen Morgen in ihrer Gesellschaft
meine Bilder in dem erwähnten Laden besucht hatte und dass er sich vom Ladenbesitzer
alle meine Werke einzeln zeigen ließ. Dieser, ein gewisser Herr Dixius, verriet
mir dann, wie ihn der unerwartete Besuch des großen Philosophen und
Ehrenbürgers von Weltruhm, von dem er zuvor nur gelesen und gehört hatte,
zunächst fast bis zum Schwindel erstaunte, doch bald ein Anlass für einen
Moment der Freude und plötzlicher gegenseitiger Sympathie wurde. Gadamer, ich
kann ohne Zweifel hinzufügen, dass jeder, der ihn persönlich getroffen hat, dies
bestätigen kann, war ein Meister der Kommunikation; das heißt, er zeigte ein
aufrichtiges und aufmerksames Interesse an der Person, die ihm entgegenkam.
Dies erzeugte im Dialog natürlich den Eindruck wohlwollenden Interesses, der
den Austausch von Worten und Gedanken forderte. An diesem Tag hinterließ
Gadamer mir eine Nachricht, die Frau Di Cesare mir zusammen mit der freudigen
Nachricht von ihrem Besuch in Herrn Dixius' Boutique überbrachte. Das mir
mitgeteilte Urteil war eindeutig: "Sie sollten mehr wagen!".
Diesen Worten folgten Monate intensiver
Beschäftigung mit der Malerei und mit dem Studium der in Bewegung oder vielmehr
im Zeitverlauf verformten menschlichen Gestalt, und da ich in diesen Monaten
die Gelegenheit erhielt, einer Einladung zu einer persönlichen Ausstellung im
Museum der Universität Heidelberg zu folgen, erschien es mir sofort angemessen,
genau die Bilder auszustellen, die in den letzten drei Monaten geboren wurden,
also nach Erhalt der Ermahnung durch Gadamer.
Dass mir der Autor von Wahrheit und Methode (1960) eine
unerwartete Aufmerksamkeit schenkte, erfüllte mich sogleich mit Überzeugung und
aufrichtigem Enthusiasmus für die – im Grunde paradoxe Entscheidung – bedenkt
man die Person, die mich zu so viel Wagemut anspornte –, mein
Universitätsstudium zu unterbrechen, um mich voll und ganz mit der Malerei zu
beschäftigen.
Als ich wenige Monate später die
Möglichkeit einer ersten Einzelausstellung bekam, zögerte ich keinen
Augenblick, sie dem deutschen Philosophen zuzueignen. Mit dieser Absicht, meine
von den Worten des Philosophen inspirierten Gemälde gerade ihm selbst, also
Herrn Gadamer, persönlich zu zeigen und ihn als Ehrengast zur Vernissage der
Ausstellung einzuladen, wandte ich mich an Frau Di Cesare, um so zugleich den Termin
für die erste persönliche Begegnung mit dem deutschen Denker anzunehmen.
An diesem Tag war ich ziemlich „aufgeregt“
angesichts der Vorstellung, morgens um 11 Uhr mit einigen fotografischen
Reproduktionen meiner Ölbilder ins Büro des Professors am Marsiliusplatz zu
gehen, um ihm die in den letzten drei Monaten entstandenen Arbeiten zeigen zu
können. Während unseres Gesprächs, „wagte ich“ dann, Herrn Gadamer eine
Einladung zu meiner Ausstellung auszusprechen, die für zwei Monate später
geplant war, mit eben den Gemälden, die in den fotografischen Reproduktionen
abgebildet waren und die ich ihm gerade zeigte.
Gadamer nahm nicht nur die Einladung mit Begeisterung an, sondern schlug auch vor, sich mit
einer Antrittsrede an der Eröffnung meiner Ausstellung zu beteiligen, zu der
Frau Di Cesare mit der Initiative hinzukam, einen Vortrag über die
ausgestellten Gemälde zu halten. In den Monaten nach diesem Treffen und vor der
Ausstellung im Museum arbeitete ich eifrig daran, die Werkschau mit zwanzig zusammen
mit Frau Di Cesare ausgewählten Ölgemälden aufzubauen. Als Tag der Vernissage
war der 11. November angesetzt, während ich morgens noch das letzte Gemälde ins
Museum brachte, das ich in der Nacht zuvor angefertigt hatte und noch mit der nassen
Farbe auf der beinahe tropfenden Leinwand in einer eigens freigehaltenen Nische
aufzuhängen. Bei der Vernissage lief alles gut und die beiden Philosophen
widmeten mir zwei Reden, von denen ich den geschriebenen Text und eine
Tonaufnahme aufbewahrt habe (Anm. Foto. 3 und 4).
2.) Könnte man sagen,
dass das Denken von Hans-Georg Gadamer einen grundlegenden Moment auf Ihrer
philosophischen Reise darstellte? Mit anderen Worten, wäre es richtig zu sagen,
dass Hans-Georg Gadamer zu Ihrer philosophischen Ausbildung beigetragen hat?
In gewissem Sinne, den ich gleich in
wenigen Zeilen skizzieren werde, kann ich zustimmend antworten, das heißt, die
Begegnung mit dem Werk, bzw. mit dem Denken und der Person von Hans-Georg
Gadamer hat meinen Ausbildungsweg sicherlich beeinflusst, und zwar nicht nur auf
der philosophischen Ebene.
In der Tat, wenn es zunächst unpassend erschien,
zu sagen, Gadamer habe mein Denken irgendwie beeinflusst - da ich keine
akademische Karriere, sondern die eines Malers gewählt habe -, so trifft es
aber genauso zu, dass jene Begegnung mit dem Denken und der Sprache Gadamers
(ich meine nicht zuletzt seine Stimme) in Turin wie die persönlichen Begegnungen
in Heidelberg mich in meinem Entschluss bestärkten, sowohl damals nach
Deutschland umzuziehen und dauerhaft in Deutschland zu leben, als auch
weiterhin Zeit für die Ölmalerei zu erübrigen. Obwohl ich mich bereits für ein
philosophisches Studium entschieden hatte, überzeugte mich die Erfahrung des
Besuchs von Gadamers Vorlesung in Turin im Jahr 1992, als ich gerade zwanzig
war, mein Studium in Deutschland fortzusetzen und zunächst die deutsche Sprache
zu lernen, die ich bereits als grundlegende Sprache für das Studium der
Philosophie der letzten drei Jahrhunderte ansah. Aus diesem Grund habe ich mich
für die Stadt Heidelberg entschieden, mich um ein Erasmus-Stipendium beworben
und es erhalten, dank dem ich ein Jahr in der Stadt am Neckar bleiben und dann
nach Turin zurückkehren sollte, um mein Studium in Italien abzuschließen. Ich
hätte es in jenen Jahren jedoch weder für möglich gehalten, dass ich den
berühmten Philosophen eines Tages in einer Sprechstunde an der Universität
treffen würde, noch dass das Thema unseres Treffens jemals meine Arbeit als Autor
von Ölgemälden hätte sein können.
Bei der Eröffnung meiner Einzelausstellung
im Universitätsmuseum Heidelberg 1999 hielt, wie bereits oben erwähnt, die
Philosophin Donatella Di Cesare nach Gadamers einleitender Rede eine Hinführung
zur Ausstellung und zu den ausgestellten Bildern. Zu Beginn ihrer Rede skizzierte
Frau Di Cesare meinen Übergang vom Studium der Philosophie zur Malerei mit den
Worten: „Von der Hermeneutik zu einer produktiven Tätigkeit - aber wir hoffen
auch wieder zurück", da ich mich damals, wie bereits in der vorigen
Antwort erwähnt, dazu entschloss, mein Studium vorerst abzubrechen, um mich nicht
nur der Malerei zu widmen, sondern meinen Alltag entsprechend der neuen
Herausforderungen bewältigen zu können.
3.) Was ist die
wichtigste philosophische Lehre, die Sie von Hans-Georg Gadamer gelernt haben?
Der wichtigste Ratschlag?
Die Werke von Platon zu lesen und sich mit
dem Studium der Klassiker der Philosophie zu beschäftigen. Gadamer selbst
verriet mir, dass er seine Studien über die Werke Platons als den reichsten und
glücklichsten Beitrag seines philosophischen Schaffens betrachtete, sogar
wichtiger als das berühmte Werk Wahrheit
und Methode - unter anderem, erfuhr ich, dass Ende der fünfziger Jahre
einige Schüler von Gadamer den Meister baten, ein Buch zu veröffentlichen, um
ihnen damit die Verlegenheit zu nehmen, sich als Schüler eines Professors zu
präsentieren, der über viele Jahre keine wesentliche Monographie veröffentlicht
hatte. Diese Anekdote, die ich aus zweiter, wenn nicht dritter Hand, aber
gleichwohl aus vertrauenswürdiger und zuverlässiger Quelle erfuhr, macht
Gadamers Neigung zu einem persönlichen Gedankenaustausch deutlich. Und genau darin
liegt der große kommunikative Wert seiner Anwesenheit, auch und gerade als
Lehrer. Offenbar hat er den Studenten schon in seinen besten Jahren viel
vermittelt, indem er nicht nur in der Zeit der Seminare und Vorlesungen seine
Lehre mit ihnen teilte, sondern auch danach noch privat mit ihnen diskutierte,
während er sich nur auf das Drängen seiner Studenten hin bemühte, seine Gedanken
in Buchform zu veröffentlichen.
4.) Martin Heidegger hat
bekanntlich eine sehr wichtige Rolle in den philosophischen Ansätzen von
Hans-Georg Gadamer gespielt und aus dieser Sicht möchte ich Sie bitten, mir zu
sagen, wie er sich Ihnen gegenüber über einen den wichtigsten Vertreter der
Phänomenologie des 20. Jahrhunderts äußerte?
In allen meinen Begegnungen mit Hans-Georg
Gadamer wurde Martin Heidegger nie erwähnt, weder vom ihm noch von mir, und das
aus klaren Gründen: Die Aufmerksamkeit, die er meiner Arbeit als Maler
entgegenbrachte, war eine äußerst großzügige Anerkennung und eine wertvolle Geste,
auch seine Bereitschaft, das philosophische akademische Umfeld zu
"verlassen" - sozusagen sein eigenes Territorium zu verlassen - um mir
auf dem Feld meiner Malerei zu begegnen. Zweitens war der Kontext unserer
ersten Begegnungen eben die Malerei und nicht die Geschichte der Philosophie; hätte
ich in diesem Sinne Fragen nach der Beziehung zu Heidegger gestellt, hätte ich
wenig Wertschätzung für die Wendung des Professors gerade zu meinem „Feld“
gezeigt, die als umso kostbarer zu schätzen ist, wenn man seine vielen
Verpflichtungen und nicht zuletzt auch sein ehrwürdiges Alter bedenkt.
Auch meine spätere Zusammenarbeit mit Gadamer
und Donatella Di Cesare für eine Vortragsreihe beim damals neu gegründeten und
durch das Istituto per gli Studi
Filosofici in Neapel unterstützte Deutsch-Italienische Philosophische
Institut in Heidelberg basierte auf den Überlegungen Gadamers zur Zukunft
Europas. Aus diesen Gründen erlaubte ich mir keine Fragen nach der Beziehung
zwischen Gadamer und Heidegger zu stellen, da sie aus dem Zusammenhang gerissen
gewesen wären – und ich sie darüber hinaus nicht für universitäre Zwecke oder sonstige
wissenschaftliche Forschung benötigte. Kurzum, es schien mir wirklich nicht
angebracht, meinen ehrwürdigen Gesprächspartner vor allem mit persönlichen und
biographischen Fragen zu behelligen, wenn diese auch auf philosophischem Grund
gewachsen sein sollten, sondern ich respektierte, dass er mit mir in erster
Linie über bildende Kunst, nicht aber über Heidegger sprach.
Über ihre Beziehung, den Briefwechsel und die
Begegnungen zwischen Heidegger und Gadamer beispielsweise in Todtnauberg hatte
ich Gelegenheit, mit Donatella Di Cesare zu sprechen und verweise deshalb auf
das von ihr herausgegebene und kommentierte Buch: Hans-Georg Gadamer. “Caro Professor Heidegger“. Lettere da Marburg 1922-1929, in It. Sprache, herausgegeben von Il
Melangolo (im Jahr 2000 erschienen).
5.) Auch wenn die
philosophische Persönlichkeit von Hans-Georg Gadamer ein Thema ist, das noch
einiger Klärung bedarf, habe ich eine letzte ganz einfache Frage: Welches ist
für Sie die wichtigste oder schönste Erinnerung, die Sie in Bezug auf
Hans-Georg Gadamer haben , wie Sie ihn gekannt haben?
Auf diese letzte Frage, die auch
persönlicher Art ist, werde ich ebenso vertraulich antworten. Die angenehmste Erinnerung,
die ich an die Begegnungen mit Herrn Gadamer habe, ist gerade der oben mehrfach
erwähnte erste Besuch in seinem Büro im Philosophischen Seminar der
Universität. Es war im August 1999, als ich um 11 Uhr vom Professor ins Büro eintrat,
wo ferner auch Donatella Di Cesare auf mich wartete. Es war unter anderem auch
das erste Mal, dass ich einen fast hundertjährigen Menschen traf und ich muss
gestehen, dass mich der Zweifel beunruhigte, ob wir uns ohne weiteres verstehen
würden und ich mit meinen kleinen fotografischen Reproduktionen in der Lage
sein würde, einige Beispiele meiner bildnerischen Arbeiten anschaulich zu
machen. Kurz gesagt, als ich meinen Platz vor dem Professor einnahm und begann die
Fotografien der in den drei Monaten entstandenen Bilder auf den Tisch zu legen,
war ich im Stillen erstaunt über die Klarheit, mit der Gadamer begann, meine
neuesten Werke zu beschreiben und zu kommentieren. Mir kam es vor, als lese er
sie, wie man einen geschriebenen Text liest, bzw. als übersetzte er sie aus
einer hermetischen Sprache in eine für uns beide und auch andere Menschen
verständliche Rede. Als er das erste Mal auf die skulpturalen Elemente meiner
Bilder hinwies, verstand ich augenblicklich, dass ich einem nicht nur
brillanten, sondern vor allem höchst aufmerksamen Menschen gegenüberstand, der mich
nicht nur willkommen hieß, sondern mich auch verstanden und respektiert fühlen
ließ – obwohl ich ein unbekannter junger und fremder Künstler war .
Doch nun erlaube ich mir, zum Abschluss
dieses kurzen Interviews, mit den Worten des Philosophen aus der Einleitung zu
meiner Ausstellungseröffnung am 11. November 1999 wiederzugeben, die ich aus
der Audioaufzeichnung der Veranstaltung transkribiert habe:
„Meine Damen und Herren,
wir sagen gar, dass Museen so sehr
heutzutage wieder zu ihrer Geltung gekommen sind und, anders als Walter
Benjamin in seinem Aufsatz seiner Zeit geschildert hat, dass ein zunehmendes
Interesse an bildender Kunst in der Bevölkerung nicht nur unseres Landes,
sondern in der ganzen Welt eingetreten ist. Noch wichtiger aber ist, dass man
nicht in eine Sammlung von den verschiedensten Autoren geht: Das muss man erst
lernen, in ein Museum zu gehen, um überhaupt etwas sehen zu können! Man muss
lernen, dass man Bestimmtes sehen will und anderes nicht aufnehmen kann. Das
ist doch, meine ich, ein Ehrenrecht aller Kunst, dass sie den Betrachter in
ihren Zauber führt, in ihren Bann nimmt und, dass man darin aufgeht.“
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